Perspectum by Friedrich Markus;Kürbis Holger;Kürbis Anja;Schorn-Schütte Luise

Perspectum by Friedrich Markus;Kürbis Holger;Kürbis Anja;Schorn-Schütte Luise

Autor:Friedrich, Markus;Kürbis, Holger;Kürbis, Anja;Schorn-Schütte, Luise
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter Oldenbourg (OWV_DGO)
veröffentlicht: 2014-11-20T00:00:00+00:00


II. Politische Kommunikation: eine Begriffsklärung

Was also ist politische Kommunikation in der Frühen Neuzeit? Oder forschungsstrategisch gefragt: wie lassen sich die Beziehungen zwischen institutionalisierten Ordnungen und den jeweiligen zeitgenössischen Werthaltungen und Normgefügen erforschen?

Die Komplexität der Wechselwirkungen von Sprache (als Ausdruck von mentalen Haltungen und Normen) und politischer Realität ist in den Diskussionen seit dem linguistic turn sehr präsent; es fehlt allerdings das Instrumentarium, um diese Beziehung für einzelne Zeitphasen exakt zu bestimmen. Die Begriffsgeschichtsschreibung stellt sich als ergänzungsbedürftig dar, da sie zusammen mit der Festlegung der Begriffe auch den Blick der Historiker auf diese Ausschnitte vergangener Wirklichkeiten festlegt.1030 Diesem Problem versucht das Konzept der political languages der Cambridge School (Quentin Skinner/John G. A. Pocock) zu entgehen, indem es die Erforschung politischer Sprachen in der zeitgenössischen Verwendung politischer Begrifflichkeiten als Gebrauch paralleler oder auch kontroverser Semantiken verankert.1031

Für die Cambridge School ebenso wie für die Begriffsgeschichtsschreibung und den systemtheoretischen Ansatz Niklas Luhmanns ist der Begriff der Kommunikation zentral1032, geht es doch allen Ansätzen um das Verhältnis von Sprache und vergangener Wirklichkeit, um die Beziehung zwischen Nomen und Phänomen. Während aber die begriffsgeschichtliche Forschung von einer Dichotomie zwischen materieller Welt und dem Begriff/Sprache von ihr ausgeht, betrachten die mit dem Instrumentarium der historischen Semantik arbeitenden Vertreter der Cambridge School die Vergangenheit als Einheit in der Kommunikation. Für den Historiker wird historische Realität auch mit Hilfe der Sprache konstituiert, sie ist nie lediglich Reflex der Wirklichkeit, vielmehr ist Sprache zugleich Handeln.1033

Obgleich beide Ansätze Geschichte als Bedeutungsgeschichte von Schlüsselworten zu schreiben beabsichtigen, haben die Unterschiede bei der Charakterisierung des Verhältnisses zwischen Sprache und Realität bemerkenswerte Konsequenzen.1034 Die Begriffsgeschichte geht davon aus, dass sich der Wandel sozialer Wirklichkeiten im Wandel des Sprechens über diese wieder findet, sie konzentriert sich also auf Leitbegriffe, in denen sich aus der Perspektive des schreibenden Historikers jener Umbruch am deutlichsten widerspiegelt. Die Folge ist die Reduzierung der Kommunikationsmuster auf jene Schlüsselbegriffe, die das Moderner-Werden der Gesellschaften verdeutlichen. Die Traditionen aber, in denen bestimmte Sprachmuster stehen, ebenso wie die Begriffsentstehungsgeschichte und solche Leitbegriffe, die das beharrende Moment sozialen und politischen Wandels benennen, werden nicht immer ausreichend berücksichtigt; entsprechendes gilt für die nicht intendierten Folgen der Kommunikation.1035

Der Ansatz der Cambridge School versucht solche Verengungen zu vermeiden, indem er Sprachintentionen ebenso strikt berücksichtigt wie die Tatsache, dass Begriffe in Traditionen stehen, die ihre je eigene Entstehungsgeschichte haben. Zudem geht es der Cambridge School ausdrücklich nicht um das „Moderner-Werden“ historischer Gesellschaften. Vielmehr ist es ihr Anliegen, mit dem Begriff der kommunikativen Absicht deutlich zu machen, dass jeder noch so innovative Sprechakt nur vor dem Hintergrund konventioneller, in Traditionen eingebundener Kommunikationsformen identifiziert werden kann. Deshalb spielt die Kontextualisierung politischer Ideen eine sehr große Rolle. Kommunikation wird verstanden als die Verwendung „eines Musters (stabiler) Deutungen und Assoziationen als Scharnier zum Transfer hin zu einem ganz anderen Muster mit einer anderen Bedeutung.“1036 Da es sich dabei stets um die Kommunikation und die Intentionen politischer Akteure in historischen Gesellschaften handelt, wird das Ganze als „politische Kommunikation“ bezeichnet.

Die Kritik, die an der Cambridge School formuliert wird, ist keineswegs unerheblich, insbesondere der



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